1897 errichteten Adolf Slaby und Georg Graf von Arco auf dem Glockenturm die erste deutsche Antennenanlage für drahtlose Telegraphie.
Von Slaby zum Handy

Architektur

Vorgaben des Königs | Formgebung | Fassadenschmuck | Innenraum

Vorgaben des Königs

Grundlegend für die Wahl des Bauplatzes am Havelufer und maßgeblich für die Gestaltung der Heilandskirche waren konkrete Vorgaben König Friedrich Wilhelms IV. Diese resultierten zum einen aus der Absicht, die an der Havel und dem Jungfernsee gelegenen Gebiete anhand eines Systems von Sichtachsen und Blickpunkten neu zu gestalten. Hierfür hatte der Gartendirektor Peter Josef Lenné mit seinem „Verschönerungs-Plan für die Umgebung von Potsdam“ bereits 1833 eine Grundlage geschaffen. 1842 entwarf er in Abstimmung mit dem König einen „Verschönerungs-Plan vom Park zu Sacrow“. Ein Leitmotiv des Plans war Ausschmückung des Havelprospekts mit dem entstehenden Kirchenneubau als Blickpunkt.
Zum anderen war es ein Anliegen des streng gläubigen Monarchen, die Kirche formal in Anlehnung an frühchristliche Basiliken zu gestalten. Mit dem Rückgriff auf das frühe Christentum und seine Bauten verfolgte er das Ziel, typologisch eine neue protestantische Idealkirche zu erschaffen. Architektonische Vorbilder waren ihm von seinen Italienreisen 1828 und 1835 persönlich bekannt. Ergänzend diente die mit Kupferstichen bebilderten Publikation „Die Basiliken des christlichen Roms“ der Architekten Gutensohn und Knapp als Quelle. Über Fragen der protestantischen Liturgie und die damit zusammenhängende Gestaltung des Innenraums stand Friedrich Wilhelm IV. im Gedankenaustausch mit dem Historiker und Laientheologen Christian Carl Josias von Bunsen (1791-1860).

Formgebung

Ausgehend vom Querschnitt einer dreischiffigen Basilika entstand gemäß den Ideenskizzen des Königs ein rechteckiger hoher Saalbau mit Apsis und flach geneigtem Dach, der von einem niedrigeren Säulengang umschlossen wird. Durch die Aufgabe der Seitenschiffe und Verlegung der Säulen nach außen handelt es sich um eine „Scheinbasilika“ oder auch „Umgangsbasilika“. Vor die Westfassade ist ein Portikus mit fünf Arkadenbögen gestellt. Dort wird die Säulenordnung von zwei breiten Sandsteinpfeilern unterbrochen. Die Mittelachse mit dem zurück liegenden Eingangsportal ist durch drei Arkaden, ein großes Rundfenster und ein Giebelkreuz betont.
Der Schwerpunkt dieser Gestaltung liegt eindeutig in der beabsichtigten Fernwirkung als Zielpunkt mehrerer Sichtachsen in der gleichzeitig neu gestalteten Kulturlandschaft. Diese Wirkung wird durch den seitlich stehenden 23,80 m hohen Campanile verstärkt. Das Motiv des Rundbogens wird an seiner Fassade mehrfach wiederholt. Im obersten seiner fünf Geschosse befindet sich ein Belvedere aus Sandsteinpfeilern, darüber ein Konsolgebälk und ein Zeltdach mit Palmettenschmuck, Kugel und Kreuz. Der Glockenstuhl trägt die vermutlich über 600 Jahre alte Bronzeglocke aus der ersten Sacrower Kirche. Der Überlieferung nach soll sie 1406 gegossen worden sein.

Der Turm und die Eingangsseite der Kirche sind auf der Parkseite von einer Brüstung umgeben. Der so entstandene Vorplatz mit Rundbank und Marmorkreuz war als Versammlungsort und für liturgische Zwecke gedacht. Eine Steintreppe führt von dort hinunter zum Wasser, wo bisweilen sogar Ganzkörpertaufen stattfinden. Das gesamte Kirchenschiff mit dem Umgang aus kannelierten Sandsteinsäulen steht auf einem Sockel unmittelbar an der Havel. Von der Wasserseite her sollte sich so der Eindruck eines an einer Hafenmole liegenden Schiffes ergeben.

Die Gesamtbaukosten beliefen sich auf 45.234 Taler und 27 Silbergroschen. Ein Drittel davon war durch eine aufwendige Pfahlrostgründung bedingt.

Fassadenschmuck

Eine Besonderheit stellt die gelbrosafarbene Streifenfassade mit den blauglasierten Keramikfliesen dar. Ähnliche Fassaden wurden in Berlin ab 1829 von Karl Friedrich Schinkel, dem bedeutenden Baumeister und Lehrer von Ludwig Persius, gebaut. Sie besaßen hochwertiges tönernes Baudekor nach oberitalienischem Vorbild und galten damals als Architekturneuheit. Persius setzte diese von Schinkel in Preußen eingeführte Fassadendekoration fort.
In Sacrow sind leuchtend blau glänzende, mit einer gelben Rosette geschmückte Fliesen abwechselnd mit gelbrosa Ziegelstreifen in feine horizontale Reihen gesetzt. Diese dekorative Wandgestaltung ist in Struktur und Farbigkeit bestimmend für das Erscheinungsbild des Kirchenschiffes und des Campanile. Ziegel und Fliesen wurden von der Königlich Preußischen Ziegelei Joachimsthal am Werbellinsee produziert. Die Herstellung der glasierten Fliesen erfolgte durch „Plattierung“, ein kompliziertes Verfahren, bei dem mit hoher Präzision gearbeitet werden musste. Wie der Architekt Ludwig Persius berichtet, zeigte der König hier großes Interesse am Detail. „Von den farbigen Streifen die das Mauerwerk erhalten soll, sollen Proben vorgelegt werden“ ordnete Friedrich Wilhelm IV. am 21. Oktober  1841 an.

Eine weitere Besonderheit weisen die gelbrosa Ziegelstreifen auf. Bei der Restaurierung des Turmes 2011–14 wurde festgestellt, dass sie bauzeitlich mit einem Anstrich aus Silikatfarbe versehen wurden. Nach bisherigem Wissensstand soll es sich dabei um den ältesten Anstrich dieser Art in der Mark Brandenburg handeln. Dieser Anstrich wurde am Turm gemäß dem restauratorischen Befund wiederhergestellt. Ein weiterer Fassadenschmuck sind die auf der Dachkante installierten Palmetten und Dachaufsätze aus Zinkguss. Insbesondere an der Westfassade bilden sie ein prägendes Stilelement. Die Verwendung von Zinkguss als Werkstoff für Baudekorationen war ebenfalls von Karl Friedrich Schinkel in Preußen eingeführt worden. In den 1840er Jahren wurden Bauelemente aus Zink durch die Gießerei Moritz Geiss bereits serienmässig hergestellt. Vor Ort installiert erhielten sie einen Anstrich, so dass sie Bildwerken aus Stein täuschend ähnlich sahen. Auch die anstelle von Säulenkapitellen verwendeten Palmettenringe der Umgangsarkade sind Zinkguss-Applikationen.

An den beiden Pfeilern der Vorhalle stimmen eingemeißelte Inschriften auf das Betreten des Sakralraums ein. Links befindet sich der Johannes-Prolog, also der Beginn des Johannes-Evangeliums (1. Johannes 1-14), rechts das Hohelied der Liebe (1. Korinther 13, 1-13). Die beiden Bibelzitate sind Grundpfeiler des christlichen Glaubens. Sie haben das durch Christus personifizierte Wort Gottes und seine alles umfassende Liebe zum Inhalt. König Friedrich Wilhelm IV. hatte diese Bibelstellen am Silvestertag 1842 gemeinsam mit seinem Hofprediger Friedrich Strauß für diesen Standort ausgewählt.

Innenraum

Der 1961 weitgehend zerstörte Innenraum wurde 1993–1995 und 2011–2014 nach Auswertung von zeichnerischen Unterlagen, historischen Fotos, Fundstücken und restauratorischen Befunden rekonstruiert.

Eine hohe zweiflügelige Kassettentür führt in die Kirche hinein. Gleich links neben dem Eingang befindet sich eine kleine Sakristei. Rechts liegt der Treppenaufgang zur darüber befindlichen Orgelempore. Erst hinter diesem kleinen Vorraum öffnet sich der 8 m breite, 18 m lange und 9 m hohe Kirchensaal. Er besitzt einen offenen Dachstuhl, dessen Zwischenräume mit einem auf Tuch gemalten blauen Sternenhimmel geschlossen sind. Die Beleuchtung erfolgt von oben durch 12 große gusseiserne Rundbogenfenster mit Klarglas. Zwischen den Fenstern sind auf Konsolen 12 Apostelfiguren des Holzbildhauers Jacob Alberty platziert. Die in kühlem Grün gehaltenen Wandflächen werden durch ein gemaltes Schmuckband horizontal geteilt. Die unteren Wandabschnitte besitzen eine Holztäfelung mit einer Eichenholz imitierenden Bemalung. Auch das hohe Kastengestühl erhielt eine echtem Eichenholz täuschend ähnlich sehende Imitationsmalerei. Der Fußboden aus rot-grün-ockerfarben gemusterten Fliesen setzt einen farbigen Kontrapunkt. Die Holztäfelung verläuft auch um den drei Stufen höher gelegenen Altarraum herum. Auf der linken Seite ist darin die Kanzel integriert, rechts der Ambo.

Vom Eingang aus wird der Blick der Besucher und Besucherinnen durch den Mittelgang hinweg auf das Apsisfresko gelenkt. Auf dem Weg dorthin bezeichnen mehrere Stationen die verschiedenen Abschnitte des christlichen Lebens von der Taufe bis zur Erlösung. Ihre Anordnung auf einer Achse wurde von Friedrich Wilhelm IV. festgelegt. Zuvorderst steht das Taufbecken aus weißem Marmor. Es bezeichnet den Eintritt in die christliche Gemeinde. Das Adler-Lesepult steht für die Verkündigung der Heilslehre, der Altar aus Zedernholz, Ahorn und Ebenholz für das christliche Abendmahl. Es folgt das vergoldete Hochkreuz stellvertretend für die Vergebung der Sünden und schließlich das auf Goldgrund gemalte Apsisfresko mit der Verheißung von Auferstehung und ewigem Leben.

Das originale Adlerpult ist ein Serienstück der Potsdamer Gießerei Kahle nach einem Entwurf von Ludwig Persius. Da der Zinkguss äußerst fragil ist wurde für liturgische Zwecke ein leichter transportierbarer Nachguss aus Aluminium angefertigt. Das Original erhielt aus Sicherheitsgründen eine museale Aufstellung zwischen dem Kastengestühl.

Das monumentale Apsisfresko von Carl Joseph Begas (1794–1854) wurde erst nach Einweihung der Kirche begonnen und am 11. November  1845 fertiggestellt. Es ist auf auf Goldgrund gemalt und nimmt die gesamte Rückwand des tonnengewölbten Altarraumes ein. Die Wölbung ist wie die Kirchendecke mit einem Sternenhimmel auf blauem Grund ausgemalt. An der Stirnseite weist der Triumphbogen mit dem Spruch „Rufe mich an in der Not, so will ich dich erretten, so sollst du mich preisen“ (Psalm 50,15) auf das Thema des Freskos hin: Christus als endzeitlicher Herrscher und Erlöser der Menschheit. Dargestellt ist der thronende Christus mit den ihn umgebenden vier Evangelisten: links Lukas (Stier) und Matthäus (Engel), rechts Johannes (Adler) und Markus (Löwe). Darüber schwebt ein Engelreigen. Den oberen Abschluss bildet die Taube als Sinnbild des Heiligen Geistes. Die in Italien übliche Fresko-Maltechnik ist für Berlin-Brandenburg eine Besonderheit. Der Maler Albert Eybel (1808-1882) führte sie nach dem Entwurf und Anweisungen von Carl Begas aus.

Die Apostelfiguren aus Lindenholz sind ein Werk des Holzbildhauers Jakob Alberty (1811–1870). Sie entstanden zwischen 1840 und 1844 nach dem Vorbild der Apostelstatuetten des Nürnberger Sebaldusgrabes von Peter Vischer und nach Modellen derselben aus der Werkstatt von Christian Daniel Rauch für den Berliner Dom. Am 28. Januar  1844 wurden sie in der Sacrower Kirche aufgestellt.

Im zweiten Weltkrieg begann die Zerstörungsgeschichte der Skulpturen. 1943 wurden einzelne Figuren durch Flak-Beschuss beschädigt, 1945 warfen Randalierer von der Orgelempore aus drei Statuetten in den Kirchenraum hinunter. In den folgenden Jahrzehnten führten Bauschäden und Ende 1961 die Verwüstung des Innenraumes zu weiteren Zerstörungen und Abgängen. 1983 durften erhaltene Skulpturen und Fragmente geborgen werden. Sie wurden an die Kirchengemeinde Paaren im Glien zum Verbleib übergeben. 1986 schließlich begann die Restaurierung der Skulpturen. Der Fall der Berliner Mauer und der Beschluss zur Wiederherstellung der Heilandskirche führten zu der Entscheidung, die Apostel wieder an ihren ursprünglichen Aufstellungsort zurückzuführen. Ende 1996 erfolgte schließlich die Aufstellung von 8 restaurierten und rekonstruierten Aposteln in der Heilandskirche. Seit 2001 befinden sich wieder alle Statuetten an Ort und Stelle.
(Text: Dr. Angelika Kaltenbach)