1841–44: Bau der Heilandskirche
1961: Abriegelung durch DDR-Grenztruppen und Zerstörung des Innenraums
1990–1997: schrittweise Restaurierung innen
2009: Indienstnahme der Wegscheider-Orgel
2014: Instandsetzung von Campanile und Dach

Die Geschichte

Lage | Chronik |

Lage

Wer das inmitten von Wäldern und Gewässern gelegene Dorf Sacrow besucht, einen Ortsteil der brandenburgischen Landeshauptstadt Potsdam, wird im Ortskern vergeblich eine Kirche suchen. Erst nach einem Spaziergang durch den weitläufigen Sacrower Gutspark werden Suchende fündig. Unmittelbar am Ufer der Havel gelegen, bildet die Kirche mit ihrem Campanile eine bedeutende Landmarke in der vom Landschaftsarchitekten Peter Joseph Lenné gestalteten Potsdamer Kulturlandschaft. Von hier aus bestehen Blickbeziehungen zu zahlreichen Parks und Bauten in Potsdam, Babelsberg, Glienicke und dem Neuen Garten.

Die „Heilandskirche am Port zu Sacrow“ wurde nach Ideenskizzen des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV. und in enger Abstimmung mit dem Monarchen durch den Hofarchitekten Ludwig Persius erbaut. Das Erscheinungsbild des Ziegelbaus ist von einer gelb-blauen Streifenfassade, einem flach geneigten Dach, einer Tempelfront und von einer das Kirchenschiff umrahmenden Säulenarkade geprägt. Durch ihre einzigartige Lage, ihre „italienisch“ anmutende Architektur mit Campanile und ihre Ausstattung war die Heilandskirche bereits bei ihrer Fertigstellung 1844 ein in vielerlei Hinsicht außergewöhnlicher, hochmoderner Kirchenbau.

Durch den Ausbau der Verkehrswege und zunehmende Mobilität wurde die Heilandskirche mit Beginn des 20. Jahrhunderts zu einem gern besuchten Ausflugsziel der Berliner und Brandenburger. An ihrer Beliebtheit konnte selbst der Bau der Berliner Mauer nichts ändern. Seit 1961 unzugänglich im Grenzgebiet gelegen, dem Vandalismus und Verfall preisgegeben, wurde die Kirche nunmehr zu einem politischen Mahnmal. Erst nach dem Mauerfall 1989 konnte sie wieder von der Gemeinde in Besitz genommen werden. Die Restaurierung und die Rekonstruktion der größtenteils zerstörten Innenausstattung dauerten über 25 Jahre. Als Bestandteil der Welterbestätte „Schlösser und Parks von Potsdam und Berlin“ gehören der Sacrower Park und die Heilandskirche seit 1992 zum UNESCO Weltkulturerbe.

Viele Besucherinnen und Besucher von Sacrow empfinden Park und Kirche als einen magischen Ort. Die Stille der Natur, die Lage am Wasser und die Architektur laden unter der Woche zur inneren Einkehr und Meditation ein. An Wochenenden kommen viele Ausflügler und es herrscht mitunter reger Betrieb. Sonntagnachmittags finden regelmäßig Gottesdienste und Konzerte statt. Ein besonderes Erlebnis stellt der jährlich zu Saisonende im September stattfindende Sportschiffergottesdienst dar, an dem die Gläubigen auf ihren in der Bucht ankernden Booten teilnehmen. Auch Trauungen und Taufen erfreuen sich in der Heilandskirche großer Beliebtheit.

Chronik

Das Dorf Sacrow wird erstmals 1375 im Landbuch Kaiser Karls IV. (1316-1378) erwähnt. Die erste Kirche stand im Dorfkern und war vermutlich aus Feldsteinen gebaut. Für die bis heute erhaltene Kirchenglocke ist das Guss-Jahr 1406 überliefert. Die Feldsteinkirche verfiel infolge des Dreißigjährigen Krieges. 1694 entstand über deren Gruftgewölbe eine neue Kirche, nunmehr ein einfacher Fachwerkbau mit Ziegeldach und Glockenturm. 1822 musste auch dieser Kirchbau wegen Baufälligkeit abgerissen werden. Als Ersatz wurde in einem dem Gutsherren Friedrich Martin Magnus (1796-1869) gehörenden Tagelöhnerhaus ein Betsaal für die kleine Gemeinde eingerichtet. 1828 beabsichtigte König Friedrich Wilhelm III. (1770-1840) das Gut zu erwerben, jedoch ohne Erfolg. In den 1830er Jahren fiel das Augenmerk des kunstsinnigen Kronprinzen Friedrich Wilhelm auf das Gut Sacrow. 1935 skizzierte er einen Kirchbau samt Kreuzgang, Pfarr- und Schulhaus.

Im Oktober 1840, kurz nach Antritt seiner Regentschaft, kaufte Friedrich Wilhelm IV. (1795–1861) das Gut. Im gleichen Zuge legte er neue Skizzen vor, beauftragte den Architekten Ludwig Persius (1803–1845) mit der weiteren Planung und bestimmte den Bauplatz an der Havel. Dieser lag an einer kleinen Bucht, die den Havelfischern und ihren Booten Schutz bei Sturm bot. Darauf bezieht sich auch der vom Monarchen festgelegte Name der Kirche: „S. Ecclesiae sanctissimi Salvatoris in portu sacro“ (Kirche des heilbringenden Erlösers im heiligen Hafen) - im doppelten Sinn auch eine Anspielung auf den Ortsnamen Sacrow. Der König genehmigte Persius’ Entwurf nach einigen Änderungen am 7. Mai  1841. Die örtliche Bauleitung wurde Ferdinand von Arnim (1814–1866) und Johann Heinrich Haeberlin (1799–1866) übertragen. Das Bautagebuch von Ludwig Persius belegt eine enge Abstimmung mit dem König. Dieser nahm an Baubesprechungen teil, besuchte des Öfteren die Baustelle und legte viele Details der Fassaden und der Innenausstattung fest.

Am 21. Juli  1844 fand „die feierliche Einweihung der Kirche in Anwesenheit von Friedrich Wilhelm IV. und seiner Gemahlin Elisabeth, der Prinzessin Friedrich der Niederlande, des Prinzen von Württemberg und zahlreichen Gefolges statt“, berichtet ein Chronist. Gleichzeitig wurde Albrecht Wilhelm Heym (1808–1878) als Königlicher Schlosskaplan und Ortspfarrer in sein Amt eingeführt. Im Sacrower Schloss, dem ehemaligen Gutshaus, wurde eine Wohnung für ihn eingerichtet. In den folgenden vier Jahren besuchte die königliche Familie samt Hofstaat die sonntäglichen Gottesdienste in den Sommermonaten. Die Anreise aus Potsdam erfolgte mit Booten, Gondeln und Kähnen über die Havel. Die Situation änderte sich, nachdem 1848 die Friedenskirche im Park Sanssouci eingeweiht und von Friedrich Wilhelm IV. als Hofkirche bevorzugt wurde. Der designierte Hofprediger Heym übersiedelte nach Potsdam. Sacrow wurde zur Filialkirche, die glanzvollen Jahre waren vorbei. 1870 wurden die Heilandskirche Sacrow, St. Peter und Paul auf Nikolskoe und die Stolper Dorfkirche zu der Kirchengemeinde Klein-Glienicke zusammengefasst. 1881 kam die Klein Glienicker Kapelle hinzu.

Überregionale Aufmerksamkeit erhielt die Heilandskirche 1897, als den Physikern Adolf Slaby (1849-1913) und Georg Graf von Arco (1869-1940) erste Funkversuche vom Turm der Heilandskirche über den Jungfernsee zur kaiserlichen Matrosenstation Kongsnaes am Potsdamer Ufer gelangen. Zur Erinnerung an diesen Erfolg wurde 1928 eine vom Bildhauer Kurt Hermann Hosaeus (1875–1958) geschaffene Gedenktafel aus grünem Dolomit über dem Eingang des Campanile angebracht. Sie zeigt den die Weltkugel tragenden, von Blitzen umgebenden Atlas und die Inschrift „An dieser Stätte errichteten 1897 Prof. Adolf Slaby und Graf von Arco die erste Deutsche Antennenanlage für drahtlosen Verkehr.“

Aufgrund ihrer herausragenden landschaftlichen Lage wurden insbesondere die Heilandskirche und die Nikolskoer Kirche St. Peter und Paul zu beliebten Ausflugszielen. 1907 erfolgte eine umfassende Instandsetzung der Heilandskirche. Ab 1913 war sie an drei Tagen in der Woche zur Besichtigung geöffnet, mittwochs wurde die Orgel gespielt. Eine Dampferanlegestelle am nahe gelegenen Ausflugslokal Dr. Faustus ermöglichte die bequeme Anreise aus Berlin Wannsee. Zwischen 1927 und 1933 fanden Bauarbeiten am Turm, Kirchendach und Bollwerk statt. In Vorbereitung der 90-Jahr Feier erfolgte eine Renovierung des Innenraumes. Die Festpredigt am 28. Oktober  1934 hielt der Reichsbischof Ludwig Müller, eine prägende Gestalt der nationalsozialistischen Deutschen Christen. Höhepunkt der Feier war die Weihe einer „Heldengedächtnis- und Reichsbischofsglocke“. Fünf Jahre später löste das nationalsozialistische Deutsche Reich mit dem Überfall auf Polen den Zweiten Weltkrieg aus.

Nach der Kapitulation Deutschlands 1945 bot die Heilandskirche aufgrund der Kriegsbeschädigungen ein trauriges Bild. Das Zinkdach war erheblich beschädigt und teilweise abgedeckt, Regen drang in das Kircheninnere. Teile der Innenausstattung sowie die Kanzel und die Orgel waren in Mitleidenschaft gezogen. Wegen Materialmangels und aufgrund fehlender Arbeitskräfte konnten die Schäden über Jahre hinweg nur mühsam behoben werden. Nach der Gründung der beiden deutschen Staaten 1949 kam eine erschwerte Erreichbarkeit der Heilandskirche hinzu, denn die Staatsgrenze verlief mitten durch die Havel. Das Pfarrhaus in Klein-Glienicke und die Kirche in Sacrow lagen auf DDR-Gebiet, der zur Fähre führende Uferweg entlang des Glienicker Parks gehörte zu West-Berlin. 1952 wurden auf DDR-Gebiet Kontrollpunkte errichtet und die Seilfähre nach Sacrow eingestellt. Der Bau der Berliner Mauer am 13. August  1961 brachte schließlich den härtesten und längsten Einschnitt in der Geschichte der Heilandskirche. Sie lag nunmehr im Grenzgebiet und wurde durch die Mauer und Sperranlagen vom Hinterland abgeschnitten. Der letzte Gottesdienst der Gemeinde fand am Heiligen Abend 1961 statt. In den darauffolgenden Tagen wurde der Kirchenraum mit großer Wahrscheinlichkeit von den stationierten Grenztruppen verwüstet und damit willentlich für lange Zeit unbenutzbar gemacht. Die Gottesdienste der Gemeinde fanden fortan in der Sacrower Friedhofskapelle statt. 1977 wurde die Heilandskirche aus der Parochie Klein-Glienicke herausgelöst und pfarramtlich mit der Evangelischen Pfingst-Kirchengemeinde in Potsdam verbunden.

Ungenutzt und der Witterung ausgesetzt erlitt in den folgenden Jahrzehnten auch die Bausubstanz erhebliche Schäden. Aufgrund unermüdlicher Bemühungen des inzwischen emeritierten Pfarrers Joachim Strauss (1912-1999) gelang es, den drohenden Abriss des Baudenkmals zu verhindern. Inzwischen war man auch auf West-Berliner Seite aufmerksam geworden. Der Regierende Bürgermeister Richard von Weizäcker und der Herausgeber der Tageszeitung „Der Tagesspiegel“ setzten sich mit Nachdruck für den Erhalt der Heilandskirche ein. Nach zähen Verhandlungen mit den Behörden der DDR konnten schließlich die Sanierung des Daches, eine Schwammsanierung, Fassadenarbeiten an Kirche und Turm sowie die Wiederherstellung der Bastionsmauer in die Wege geleitet werden. Die Finanzierung in Höhe von einer Million DM (West) übernahmen zu gleichen Teilen das Land Berlin und die Stiftung Tagesspiegel. Die bauliche Ausführung erfolgte 1984-85 durch den VEB Stadtbau Potsdam, fehlende Fliesen wurden vom VEB Fliesenwerk Meißen nachgebrannt.

Nur vier Jahre nach Abschluss der Arbeiten stellte der Fall der Berliner Mauer den nächsten Einschnitt in der Geschichte der Heilandskirche dar. Mit einer denkwürdigen Christvesper am Heiligen Abend 1989 konnte die Kirche von den Gläubigen wieder in Besitz genommen werden. Pfarrer Günter Schalinski und viele Menschen aus Ost und West setzten sich für die Wiederherstellung der Heilandskirche ein. 1990 fiel der Gemeindebeschluss zur Instandsetzung und Restaurierung. Mithilfe von Landesmitteln, Mitteln der evangelischen Kirche und zahlreichen privaten Spenden konnten die Baukosten in Höhe von 2,9 Millionen DM über viele Jahre hinweg bewältigt werden. 1997 war der Kirchenraum mit Holzdecke und Sternenhimmel, Apsisbild, Kanzel, Epistelpult, Gestühl und einem provisorischen Altar im Wesentlichen rekonstruiert. Nunmehr konzentrierte sich die Gemeinde auf den Bau einer neuen Orgel. Nach langjährigen Sammelaktionen wurde die von der Firma Kristian Wegscheider gebaute Orgel im rekonstruierten Gehäuse mit einem Festakt 2009 in Betrieb genommen. Das Investitionsprogramm „Nationale UNESCO-Welterbestätten“ ermöglichte gemeinsam mit Fördermitteln der Landeshauptstadt Potsdam 2011-14 schließlich die dringende Instandsetzung von Campanile und Dach sowie die Rekonstruktion der fehlenden Ausstattungsstücke.
(Text: Dr. Angelika Kaltenbach)